Dienstag, 29. Mai 2007

Hochhäuser, Jazz, Anime, Gespräche, Badlands und Strassenfeste

In den letzten Tagen habe ich neben meinem Arbeitsplatz einige interessante Plätze in Calgary und Alberta kennengelernt.

Am 11.Mai fuhren Min, Jim und ich mit dem Rad 4 Stunden durch Calgary. Es war ein sehr sonniger und schöner Tag. Neben vielen neuen Ecken in dieser Stadt habe ich auch die Intensität des hiesigen Sonnenscheins kennengelernt. Danach lud mich Jim zu einem Spieleabend zu sich nach Hause ein, in den 36. Stock eines Hochhauses in Downtown. Die Konsolenspiele haben mich zwar weniger interessiert, dafür umso mehr der spektakuläre Ausblick von Jim's Balkon.


Am folgenden Freitag trafen einige Kollegen aus dem Lab und ich uns in Downtown um zusammen einen Jazzabend im Beatniq zu verbringen. Neben 2 Stunden entspannender Jazzmusik kam ich auch in den Genuss guter Bilder der Jazzband Verismo.


In den nächsten zwei Tagen wurde ich Zeuge einer Ansammlung merkwürdig aussehender, junger Menschen. In der Universität fand über das Wochenende ein Anime Festival namens Otafest statt. Neben vielen Animefilmen (japanische Zeichentrickfilme) gab es auch einen Kostümwettbewerb, der regen Zulauf fand.



Am Montag traf ich während des Einkaufens auf einen 76 jährigen Herren namens Ching Tiny. Ich durfte Ihn portraitieren. Als ich dann seinen Namen aufschreiben wollte, bemerkte ich, dass ich keinen Stift zum Schreiben hatte. Ching schlug vor mit mir zum nahe gelegenen COOP Supermarkt zu gehen um mir einen Stift zu besorgen. Nachdem wir einen Stift gefunden hatten, lud mich Ching noch auf einen Kaffee ("echter Bohnenkaffee - kein Instantgetränk") ein. Wir kamen ins erzählen und so erfuhr ich etwas mehr über Ching's Leben.
Er wurde 1931 in der Südchinesischen Provinz Kwang Dong geboren. Dort wuchs er mit 4 Geschwistern auf und lebte ein Leben als Bauer. Mit 18 Jahren wurde er dann von seinem Grossvater nach Kanada geholt. Dieser war einer von unzähligen Chinesen, die das kanadische Eisenbahnnetz im 19. Jahrhundert mit aufgebaut haben. Ching studierte in Kanada 5 Jahre lange Telekommunikation. Danach arbeitete er 35 Jahre lang bei der Telekommunikationsfirma ATG (heute Telus). Er erzählte mir stolz, wie früher die Telefonverbindungen noch per Hand geschaltet wurden - und was er auf seinem ersten eigenen Computer programmiert hat. Nebenbei zog er noch 4 Kinder gross, die nun zerstreut in Kanada leben.
Am Ende diskutierten wir auch noch über das Ozonloch, die Probleme des starken Wirtschaftsaufschwungs und Bevölkerungswachstums in China und über die Natur des Menschen. Es war ein sehr interessanter Nachmittag mit Ching Tiny.


Am nächsten Tag begab ich mich mit Uta und Ihrer Freundin Sarah auf eine 9 stündige Fahrt durch Südost Alberta, in die Badlands. Neben aufregenden Landschaften machten wir auch einige angenehme (und weniger angenehme) Bekanntschaften mit Gophern, Schlangen, Mosquitos. Wir trafen auf eine 85 jährige Deutsche Auswanderin, die 1955 mit Ihrem Mann nach Kanada kam. Nach dem zweiten Weltkrieg zogen sie von Berlin nach Westdeutschland, waren dort aber nicht willkommen. Nach Ihrer Ankunft in Kanada, arbeitete die gelernte technische Zeichnerin u.a. als Putzfrau für 50 Cent die Stunde. Sie verlebte mit Ihrem Mann harte aber auch schöne Zeiten und baute ein Haus und zog 5 Kinder groß. Nachdem Ihr Mann gestorben ist, lebt sie nun in einer Seniorenresidenz in Calgary.
Auf unserem Weg durch die Badlands trafen wir auf wunderschöne Landschaften, den Horseshoe Canyon, den Red Deer River, den Dinosaur Trail mit vielen Plastikdinosauriern, eine Fähre und Hoodoos - interessant aussehende Gesteinsformen.

Feld in Alberta

Im Horseshoe Canyon

Red Deer River

Red Deer River
An einer alten Mine

Am Sonntag den 29.05.2007 fand das Lilac Festival auf der 4. Strasse SW statt. Mein Mitbewohner Andries und ich besucheten es gemeinsam.
Das Festival ist vielleicht vergleichbar mit dem Magdeburger Stadtfestival, nur dass es nicht von der Stadt, sondern von den Geschaeftsleuten der 4. Strasse ausgerichtet wird.
Um 10 Uhr ging es mit einer Parade los. Es waren Jungs und Maedels mit rotierenden Plastikgewehren, martialische Ritter, Sambataenzer, der Buergermeister und vieles mehr zu sehen. Nach der Parade schlenderten Andries und ich die Festivalstrasse auf und ab und betrachteten uns allerhand Verkaufs- und Informationsstaende. Wir konnten uns u.a. freie Gurken vom Bauernmarktstand sowie einen kostenlosen Starbucksshake ergattern.
Neben den vielen Staenden traten auch Strassenkuenstler auf. Es war sehr amüsant ihnen bei ihren Tricks zuzuschauen. Sie haben es geschafft das Publikum oft zum Lachen zu bringen.
Da war James, der in Australien lebt und Strassenkunst seit ueber 16 Jahren auffuehrt oder Stephanie, die neben Zirkusauftritten, auch auf der Strasse Ihre Feuershow zeigt. Marsha und Ihr Freund verkauften Zombiekarrikaturen. Marsha's Vater ist Deutscher. Er kam vor 35 Jahren nach Kanada - als politischer Fluechtling aus der DDR.
Alles in allem war es ein sehr schoener, entspannender Tag, der mir viele neue und interessante Begegnungen brachte.

James der Magier
Stephanie die Feuerschluckerin
Marsha die Karikaturverkaeuferin

Zwergpudel und stolze Besitzerin
Daina die Buttonverkaeuferin


Donnerstag, 10. Mai 2007

Weil Heute mein Geburtstag ist ...

... da hab ich mir gedacht,
ich schreib wieder einen Blog Eintrag,
weil mir das Freude macht.


Es ist schon merkwürdig wie schnell die Zeit hier vergeht. Es sind seit meinem letzten Eintrag fast 3 Wochen vergangen und ich habe es nicht mal gemerkt.
Was ist in der Zwischenzeit passiert?

Am 26.04.2007 besuchten Leute aus dem Labor und ich eine Kunstausstellung in einer Kunsthochschule in der Stadt. Viele Leute aus dem Lab haben an den Kunstprojekten zusammen mit Kunststudenten gearbeitet. Die Ausstellung hatte das Thema Kunst und Technologie zum Gegenstand.



Am 28.04.2007 habe ich mir ein Mountainbike gekauft, da der oeffentliche Personennahverkehr fuer mich zu teuer und zu umständlich ist. Wenn ich nicht eben mit dem CTrain fahre (die staedtische Metro) muss ich lange auf Busse warten (am Wochenende eine Stunde) um in entlegenere Stadtteile zu kommen. Mit dem Rad kann ich ziemlich flott in viele Stadtviertel gelangen. Nach Downtown fahre ich weniger als 20 Minuten und geniesse dabei noch den Ausblick auf den Bow River.

Zwischendurch habe ich noch angefangen Squash zu spielen. Das ist hier offizieller Lab-Sport dem auch schon mein Vorgänger Martin nachgegangen ist. Dazu habe ich mir auch einen eigenen Squash Schlaeger gekauft. Da ich 5 Jahre lang Tennis gespielt habe komme ich mit diesem Sport ganz gut zu recht.


Am 3. Mai hat mich Jim, ein Doktorand auf einen Tagesausflug nach Banff in die Roky Mountains eingeladen. Er, seine Frau Aya, zwei Japanische Freunde und ich wanderten an diesem Tag viel und bestaunten die Natur. Leider war es sehr regnerisch und neblig. Dies motiviert mich jedoch noch öfter dorthin zurückzukehren.

Bow River
Lake Louise

Am Wochenende hatte ich zwei seltsame Begegnungen. Am Samstag traf ich einen Posaunenspieler auf der Herrentoilette. Kevin Saff ist 27 Jahre alt, Mathematikstudent und übt jeden Tag 2 Stunden. Am Samstag nahm er an einer Mathekonferenz teil und sah die einzige Gelegenheit zum üben während der Mittagspause.


Am Sonntag fuhr ich nach Downtown um mir Licht für mein Fahrrad zu besorgen. Dort traf ich auf Joseph. E. Griffith. Er ist 66 Jahre alt und nennt sich seit 2 Jahren "Apostel Joseph". Vorher war er nach eigener Auskunft. Vize-Präsident bei einer kanadischen Investment Firma, Schauspieler, Zocker, Zuhälter. Es war sehr interessant und amüsant ihm zuzuhören.

Wie geht es weiter? Morgen werde ich mit Jim und Min eine Radtour durch Calgary unternehmen. Ansonsten bin ich viel am programmieren, lesen und nachdenken.

Bis bald,
Euer Jens

Sonntag, 22. April 2007

Eine Woche Calgary

Als ich am Montag in Calgary gelandet bin kam mir diese Stadt typisch Amerikanisch vor. Bei der Fahrt vom Flughafen zu meiner Wohnung sah ich breite Strassen mit grossen Pickups und SUVs, Baseball spielende Kinder, klapprige Reihenhaeuser aus Holz und Zeitungsautomaten.

In meinem neuen zu Hause lerne ich meine beiden Mitbewohner kennen. Andries ist ein hollaendischer Eisschnelllauefer der hier in Calgary fuer die Olympiuschen Spiele 2010 in Vancouver trainiert. Steven arbeitet 6 Tage die Woche als Autoverkauefer bei Toyota, am siebten Tag in einer Kneipe. Als Autoverkauefer bekommt er kein Grundgehalt, sein gesamtes Einkommen beruht auf Umsatzbeteilgung an den von Ihm verkauften Autos.

Nicht nur die Autos sind hier in Canada um einiges groesser als in Europa, auch die Kuehlschraenke, HErde, Waschmaschinen. Beim Einkaufen muss ich mich umstellen. Tee und Aepfel, die ich in Deutschland sehr gern und viel kaufte sind hier sehr teuer. Eine Packung Kamilletee mit 20 Beuteln kostet hier stolze 4 CAD ( ~ 2.70 Euro). Ein Kilo kanadaische Aepfel kostet 3.20 Euro, 1 Kilo suedamerikanische Bananen dafuer nur 65 Eurocent. Ueberhaupt muss mann beim Einkaufen zweimal rechnen – alle Preise werden ohne die staatlichen 6 Prozent Mehrwertsteuer angegeben.

Calgary ist eine Stadt fuer Autofahrer, 1 Liter Benzin kostet 65 Eurocent (vor ein paar Jahren war es noch die Haelfte) ein C-Train Ticket in die Stadt 1.35 Euro (eine Monatskarte kostet um 54 Euro). Das Streckennetz in Calgary ist eher duerftig, deswegen werde ich mir moeglichst bald ein Fahrrad besorgen.

Alberta ist eine sehr reiche Provinz. Man zahlt keine Mehrwertsteuer (nur die 6% staatliche Mwst.). Diese Provinz hat einen ausgeglichenen Haushalt und keine Schulden. Nichtsdestotrotz findet man in Calgary eine Menge Obdachlose die auch im Winter an vielen Strassenecken liegen und sitzen. Zum grossen Teil sind dies „Natives“ - die Ureinwohner Canadas.


Als ich Samstag Downtown auf eine Bahn wartete hoerte ich aus einer Ecke einen wunderschoenen Song. Ich drehte mich um und sah einen gebueckten in lumpige Sachen gekleideten Mann, der auf seiner Gitarre und Mundharmonika spielte und dazu sang. Er spielte sehr gut, so dass sich nach einer Weile eine kleine Menschentraube um Ihn bildete Ich kam nach ein paar Minuten ins Gespraech. Paul spielt seit 30 Jahren Gitarre und ist in ganz Alberta als Strassenmusiker unterwegs. Obwohl er faszinierende Musik spielt hat er noch nie eine Platte aufgenommen.


Downtown besteht vor allem aus riesigen Hochhauesern der Oelkonzerne und aus Shopping Malls. DIese schliessen jedoch schon sehr frueh. Spaetestens um 7 ist Downtown wie leergefegt. Dafuer haben Supermaerkte 7 Tage die Woche bis 23 Uhr geoeffnet.

Naechste Woche werde ich anfangen an meinem Projekt zu arbeiten. Ich werde ein Programm von Martin Schwarz zur interaktiven Erstellung von Gemaelden erweitern. Dazu werde ich mit Kuenstlern zusammen den Arbeitsablauf ueberarbeiten und Ihnen neue Malstile zur Verfuegung stellen.

Bis bald,

Euer Jens

Montag, 16. April 2007

Angekommen

Nach 14 Stunden Flug ueber London Heathrow nach Calgary bin ich sicher gelandet.
Die ersten Eindruecke sind von riesigen Pickups, typischen amerikanischen Siedlungshauesern und fehlenden Fussgaengerueberwegen gepraegt. Mein Betreuer Tobias und sein Kollege Marc haben mich vom Flughafen abgeholt und zu meiner neuen Wohnung gebracht. Ich hatte noch keine richtige Gelegenheit mir diese genauer anzugucken, da ich mit Tobias gleich einen Spaziergang ueber den Campus gemacht habe.

Morgen werde ich die organisatorischen Digne im Ilab erledigen und dann bald mit der Arbeit beginnen.